Der Wanderfalke (Falco peregrinus) gehört zur Familie der Falkenartigen.
Er zählt zu den größten Vertretern der Familie und ist mit einer Spitzengeschwindigkeit von mehr als 320 km/h beim Jagdstoß
das schnellste bekannte Tier. Der Wanderfalke ist ein Kosmopolit und die am weitesten verbreitete Vogelart der Welt;
er besiedelt bis auf Antarktika alle Kontinente. Wanderfalken sind primär Felsbrüter und bewohnen in erster Linie gebirgige
Landschaften aller Art sowie Steilküsten. In den letzten Jahrzehnten hat die Art in vielen Teilen des Verbreitungsgebietes
auch Städte und Industrieanlagen mit ihren zahlreichen "Kunstfelsen" besiedelt.
Wanderfalken sind hochspezialisierte Vogeljäger; die Nahrung besteht fast ausschließlich aus kleinen bis mittelgroßen
Vögeln, die im freien Luftraum erjagt werden. Die Sturzflüge aus großen Höhen bei der Jagd und die dabei erreichten
hohen Geschwindigkeiten sind spektakulär. Der durch das Insektizid DDT verursachte Bestandseinbruch und die anschließende
Bestandserholung mit der Ansiedlung in vielen Städten haben den Wanderfalken zu einer der weltweit
bekanntesten Großvogelarten gemacht.
Ausgefärbte (adulte) Wanderfalken sind auf der gesamten Oberseite dunkelblaugrau. Die Unterseite ist
auf weißem bis cremefarbenem Grund überwiegend dunkel quergebändert, nur der vordere Hals und die obere
Brust sind sehr variabel leicht bis kräftig dunkel gefleckt oder gestrichelt. Kennzeichnend für die Art
ist der sehr kräftige, schwarze Bartstreif, der von der hellen Kehle scharf abgesetzt ist. Die Iris der
Augen ist dunkelbraun, Wachshaut, Augenring und Beine sind gelb, die Krallen sind schwarz.
Während die Färbung der Geschlechter sehr ähnlich ist, zeigen Wanderfalken einen starken reversen
Geschlechtsdimorphismus hinsichtlich der Körpergröße. Kleine Männchen haben eine Körperlänge von 35 cm
und eine Flügelspannweite von 79 cm, große Weibchen eine Körperlänge von 51 cm und eine Spannweite von 114 cm.
Mitteleuropäische Männchen haben eine Flügellänge von 289-334 mm und wiegen 550-750 g, die Flügellänge von
Weibchen aus diesem Raum beträgt 339-375 mm und das Gewicht 740-1300 g. Wanderfalken zählen damit zu den
größten Arten der Gattung Falco, nur Würgfalke und Gerfalke sind noch größer.
Das Flugbild des Wanderfalken ist typisch falkenartig mit einem kräftigen Rumpf, einem großen Kopf,
relativ langen, etwas dreieckigen, spitzen Flügeln und einem mittellangen, leicht gerundeten Schwanz.
Beste Erkennungsmerkmale sind die sehr dunkle Oberseite, die helle, quergebänderte Unterseite und der auch auf
größere Entfernung erkennbare Bartstreif. Häufig kann die Art auch aufgrund des Verhaltens erkannt werden.
Frisch ausgeflogene Jungvögel unterscheiden sich erheblich von den adulten (ausgefärbten) Vögeln.
Junge Wanderfalken sind auf der Oberseite schwarzbraun, alle Deckfedern sind hell bräunlich gerändert.
Die Unterseite ist auf rötlich braunem Grund dunkelbraun längsgestreift. Der Backenstreif ist weniger
kräftig als bei den adulten Falken und hebt sich gegen die rotbraunen Kopfseiten viel weniger ab.
Die Wachshaut und der Augenring sind blaugrau; beim Küken ebenfalls die Beine. Wanderfalken mausern
ab dem Frühjahr des zweiten Kalenderjahres, also im Alter von ca. 12 Monaten, in das Adultkleid und
sind im Herbst des zweiten Kalenderjahres nicht mehr von den adulten unterscheidbar.
In der Größe und der Färbung weichen Unterarten in anderen Teilen der Welt erheblich von mitteleuropäischenWanderfalken ab.
Beide Geschlechter rufen in Brutplatznähe häufig.
Der bei Beuteübergaben oder beim "Nestzeigen" geäußerte Balzruf ist ein weit hörbares,
deutlich zweisilbiges, gereihtes "akzick-akzick", dass bei zunehmender Erregung immer
schneller wiederholt wird.
Der Alarmruf ist ein durchdringendes, scharfes "eeek-eeeek-eeeeek", das bei leichteren
Störungen langgezogen ist. Bei massiven Störungen (z. B. Nestkontrollen) wird dieser Ruf
von den dann meist über dem Brutplatz kreisenden Falken in immer höherer Frequenz geäußert
und klingt dann wie "eek-eek-eek-eek". Dieser Ruf wird auch als Lahnen bezeichnet.
Weit weniger auffällig ist zum Beispiel der Warnruf, mit dem der Partner auf eine Störung
aufmerksam gemacht wird, dieser klingt wie "kjuck" und ist nur aus geringer Entfernung hörbar.
Wanderfalken kommen auf allen Kontinenten außer auf Antarktika vor. Sie haben außerdem auch
die meisten größeren Inseln und Inselgruppen besiedelt, sie fehlen nur auf den Inseln der
Karibik, Neuseelands und in Island. Der Wanderfalke ist damit der am weitesten verbreitete
Vogel der Welt. Die weltweite Verbreitung der Art ist wesentlich auf ihre sehr unspezifischen
Lebensraumansprüche zurückzuführen; diese beschränken sich letztlich auf eine gesicherte
Brutmöglichkeit und freien Luftraum mit einem ausreichenden Angebot an Vögeln.
Im größten Teil des Verbreitungsgebietes sind Wanderfalken Felsbrüter. Sie finden sich daher
weltweit vor allem in Regionen mit Felsen. Geschlossen bewaldete und/oder großräumig felsfreie
Gebiete werden nur regional in Mittel- und Osteuropa, im Nordwesten Nordamerikas und in Teilen
Australiens besiedelt; hier brüten Wanderfalken dann in Greifvogel- oder Rabenhorsten bzw. in
großen Baumhöhlen, wobei Baumhöhlen nur in Nordamerika und Australien genutzt werden.
Ebenfalls nur regional brütet die Art als Bodenbrüter in großen Mooren, vor allem im Baltikum
und im Norden Skandinaviens, Finnlands und Russlands. Wanderfalken fehlen in den tropischen
Wäldern der Niederungen Südamerikas und Afrikas und in den Steppenregionen Asiens. Sie meiden
außerdem die ariden Zonen Amerikas, Afrikas und im Inneren Australiens.
In vielen Teilen der Welt, vor allem in Europa und Nordamerika, haben Wanderfalken in den letzten
Jahrzehnten auch hohe Bauwerke als "Kunstfelsen" besiedelt. Dies wird zum Teil auch dadurch
begünstigt, dass sich dort häufig eine bevorzugte Beute von Wanderfalken - die Haustaube - in großer Zahl findet.
Außerhalb der Brutzeit und im Winterquartier sind Wanderfalken auch in vogelreichen Lebensräumen
aller Art anzutreffen, z. B. auch an Küsten und in großen Feuchtgebieten.
Wanderfalken jagen fast ausschließlich Vögel im freien Luftraum. Da eine gedeckte Annäherung an die Beute hier nicht
möglich ist, wird das Überraschungsmoment durch die Annäherung mit größtmöglicher Geschwindigkeit erreicht. Der Beute
bleibt dann nur ein sehr kurzes Zeitfenster zur Reaktion. Die beiden wesentlichen Jagdtechniken sind der Steilstoß
aus großer Höhe und der Flachstoß von einer Warte.
Beim Steilstoß kreist der Falke in größerer Höhe und wartet auf Vögel, die unter ihm entlang fliegen. Der Falke geht
dann in den Sturzflug über und legt die Flügel an, die Steuerung erfolgt mit den Daumenfittichen. Höchstwahrscheinlich
benutzen die Falken für den eigentlichen Schlag dann die ungeöffneten Füße. Der Falke fliegt nach dem Schlag aufgrund
seiner großen Geschwindigkeit an der Beute vorbei und kehrt dann in einer Kurve zu dieser zurück. Die Beute wird häufig
#allein durch den Aufprall getötet, falls sie nur verletzt ist, tötet der Falke sie dann mit einem Biss ins Genick.
Vögel, die den anfliegenden Falken rechtzeitig bemerken, beginnen sofort, sehr eng zu kreisen. Diese Manöver kann
der anfliegende Falke aufgrund seiner hohen Geschwindigkeit nicht mitmachen und ist dann meist erfolglos.
Wanderfalken erreichen bei ihren Sturzflügen sehr hohe Geschwindigkeiten. Meldungen verlauten Spitzengeschwindigkeiten
von über 300 km/h und sogar bis zu 400 km/h im seltenen senkrechten Sturzflug.
Beim Flachstoß von einer Warte erfolgt die Annäherung an die Beute von hinten und etwas versetzt unterhalb der Beute.
Wanderfalken können jeden anderen Vogel im Geradeausflug schnell einholen, hier stellt der Falke das Überraschungsmoment
also durch die schnelle Annäherung im "toten Winkel" der Beute her. Der Beutevogel wird dann von hinten und unten
gegriffen. Wenn Vögel die Annäherung des Falken rechtzeitig bemerken, haben sie relativ gute Chancen zu entkommen.
Kleinere Vögel (z. B. Stare) lassen sich sofort fallen, größere wie Tauben versuchen ähnlich wie bei Steilstößen durch
das Fliegen sehr enger Kurven zu entkommen, auch in diesen Fällen ist der Falke dann meist aufgrund seiner zu geringen
Wendigkeit erfolglos.
Diese beiden Grundmuster der Jagd werden vielfältig variiert oder auch kombiniert. Insbesondere außerhalb der Brutzeit
jagen die Paare häufig gemeinsam, die Annäherung an einen Beutevogel erfolgt dann in einem gewissen Abstand
zueinander, so dass der zweite Falke bei einem Fehlstoß des ersten auf den ausweichenden Vogel nachstoßen kann.
Weicht der Vogel nach oben aus, folgt einer der Falken dem Vogel in die Höhe, während der andere (meist das Weibchen)
unter dem Beutevogel kreist und ihm so den Weg nach unten abschneidet.
Wanderfalken fressen fast ausschließlich kleine und mittelgroße Vögel. Das Maximalgewicht der Beute
liegt bei etwa 500 g, das entspricht etwa dem Gewicht einer Ringeltaube oder einer Rabenkrähe. Die
meisten Beutevögel sind jedoch deutlich leichter.
Welche Arten im Beutespektrum dominieren, hängt vom lokalen Angebot ab. Die Jagdmethoden des Wanderfalken
sind am erfolgreichsten bei Vögeln, die über eine längere Strecke geradeaus fliegen. In weiten Teilen
West- und Mitteleuropas dominieren daher Haustauben in der Beute. Im Sommerhalbjahr sind dies vor allem
die in großer Zahl zu Wettflügen über große Entfernungen aufgelassenen Brieftauben, in Städten und an
Felsküsten zusätzlich wilde Straßentauben bzw. die Felsentaube. Besonders im Herbst und im Frühjahr
spielen Zugvögel, vor allem Drosseln und Stare, eine wichtige Rolle bei der Ernährung. An Küsten leben
Wanderfalken vor allem von Seevögeln wie Möwen, Lummen und Alken.
Wanderfalken jagen bis weit in die Dämmerung hinein; Fledermäuse, vor allem früh fliegende Arten wie
Abendsegler, sind daher die einzigen regelmäßig erbeuteten Säugetiere. In Großstädten nutzen Wanderfalken
das große Kunstlichtangebot und jagen nachts ziehende Vögel wie Rallen und Limikolen.
Wanderfalken sind im zweiten Kalenderjahr, also im Alter von etwa 9 Monaten, geschlechtsreif.
Im Vorjahr geborene Individuen sind als Brutvögel in intakten Populationen aufgrund der großen
innerartlichen Konkurrenz jedoch sehr selten.
Wanderfalken sind in Mitteleuropa ganzjährig in ihren Revieren anzutreffen. Etwa ab Jänner
beginnt die meist nicht sehr auffällige Balz damit, dass die Revierpartner dicht nebeneinander
auf Warten sitzen und bei gutem Wetter zusammen über dem Revier kreisen. Etwa 6 Wochen vor der
Eiablage beginnt das Männchen das Weibchen mit Beute zu versorgen, das Weibchen ist dann kaum
noch aktiv. Einige Wochen vor der Eiablage ist der Höhepunkt der Balz erreicht, sie besteht nun
neben den Beuteübergaben vor allem aus dem "Nestzeigen" des Männchens. Dieses kratzt an den
potenziellen Brutplätzen eine Mulde und versucht das Weibchen durch lautes "Akzicken" dorthin zu locken.
Wanderfalken bauen wie alle Falken keine Nester.
Felsbrüter nutzen vorhandene kleine Höhlen oder Felsbänder sowie verlassene Nester von anderen in
Felswänden brütenden größeren Vögeln, z. B. Kolkraben.
Baumbrüter nutzen verlassene Nester von Greifvögeln, Reihern oder Kolkraben.
Die Eiablage erfolgt in Mitteleuropa meist Mitte März bis Mitte April, ausnahmsweise bereits ab
Ende Februar oder, vor allem bei Nachgelegen, bis Mitte Mai. Die Gelegegröße beträgt meist 3-4 Eier.
Die Eier sind recht rundlich, messen im Mittel etwa 51 × 41 mm und wiegen 39-48 g. Sie sind auf gelblichem
Grund sehr dicht rot- oder gelbbraun gefleckt und wirken daher aus größerer Entfernung oft einfarbig braun.
Die Brutdauer beträgt 34-38 Tage. Die Jungvögel fliegen mit etwa 42 Tagen (Männchen) bzw. 46 Tagen (Weibchen) aus.
Die Jungvögel bleiben meist etwa 4 bis 6 Wochen im Revier der Eltern und wandern dann ab. Wanderfalken erreichen ein
Maximalalter von über 15 Jahren, das nachgewiesene Höchstalter liegt bei fast 18 Jahren.
Wanderfalken sind je nach Vorkommen Standvögel bis Langstreckenzieher; die Zugneigung nimmt nach Norden zu.
Die Populationen der tropischen und mediterranen Zonen sind Stand- oder allenfalls Strichvögel.
In Mittel-, Nord- und Osteuropa wandern insbesondere im ersten Lebensjahr viele Wanderfalken nach West- und
Südwesteuropa und überwintern dort, die adulten Wanderfalken sind hier jedoch überwiegend Standvögel.
Die arktischen Wanderfalken sind Langstreckenzieher. Die Vögel der Arktis Kanadas und Alaskas ziehen nach
Mittel- und Südamerika, die Wanderfalken der russischen Arktis überwintern in Afrika und im Süden Asiens.
Wanderfalken wurden mindestens seit Ende des 19. Jahrhunderts von Taubenzüchtern intensiv verfolgt,
auch Eiersammler stellten Wanderfalken zumindest regional intensiv nach. Aufgrund der Unzugänglichkeit
vieler Brutplätze führte diese Verfolgung jedoch nur regional zu stärkeren Bestandsrückgängen.
Katastrophale Bestandseinbrüche und ein erheblicher Rückgang der Eischalendicke nach 1950 wurden
zeitgleich oder nur wenig später in weiten Teilen der nördlichen Hemisphäre verzeichnet. In Europa starb
der Wanderfalke in Dänemark, Polen, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und der DDR bis Ende der 1970er
Jahre aus, die Bestände in Skandinavien, der Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz und Österreich gingen
bis auf wenige Paare zurück. Die Baumbrüterpopulation Mittel- und Osteuropas starb vollständig aus. In den
USA verschwand der Wanderfalke aus allen Bundesstaaten östlich der Rocky Mountains.
Der plötzliche Rückgang der Eischalendicke nach 1946 fiel mit den Jahren der erstmaligen großflächigen Anwendung
von DDT in der Land- und Forstwirtschaft zusammen. Ende der 1960er Jahre wurde festgestellt, dass der Gehalt des
DDT-Metaboliten DDE (Dichlor-Diphenyl-Dichlorethylen) in den Eiern mit der Eischalendicke negativ korreliert. Eine
Abnahme der Eischalendicke um 17 % war mit einem DDE-Gehalt von 15-20 ppm DDE bezogen auf das Frischgewicht des
Eiinhalts verbunden. Wanderfalkenpopulationen, deren durchschnittliche Eischalendicken um 17 % oder mehr verringert
waren, gingen stark zurück oder starben aus.
Der deutsche Bestand stieg nach dem Tief um 1975 mit etwa 50 Paaren wieder stark an und umfasste 2006 etwa 950
Brutpaare (BP), in Österreich brüteten um 2004 wieder etwa 250 BP und in der Schweiz 2002 etwa 250 BP. Der europäische
Gesamtbestand am Anfang des 21. Jahrhunderts wurde auf etwa 6.600 BP geschätzt. Der Wanderfalke war Vogel des Jahres
1971 und damit überhaupt die erste so bedachte Art.
Die IUCN schätzt die Gesamtpopulation des Wanderfalken heute auf 10.000 bis 100.000 Tiere und hält sie für
stabil. Die Art wird als "nicht gefährdet" eingestuft. In der Schweiz ist der Bestand seit einigen Jahren stark
rückläufig (Stand: 2022), so dass er im Jahr 2022 auf die Rote Liste gefährdeter Arten gesetzt werden musste.